Was gilt in den USA als typisch deutsch? So mancher Amerikaner merkt vor lauter Klischeetrunkenheit oft gar nicht, wie viel germanische Alltagskultur ihn wirklich umgibt. (16. August 2005)

Meine nur bedingt erfolgreiche Suche nach deutschen Lebensmitteln und Alltagsprodukten in Amerika hat meinen Blick darauf gelenkt, was überhaupt aus Deutschland in den amerikanischen Alltag gedrungen ist oder als deutsch wahrgenommen wird – seien es Produkte, Kulturgüter oder Charakterzüge. Trotz der üblichen Vorurteile hat man es dabei als Deutscher ganz gut getroffen: Die bekanntesten Exportartikel (Autos, Maschinen, Bier) gelten als hochwertig und die unterstellten Charakterzüge sind nur noch positiv besetzt: Pünktlichkeit, Effizienz, Ordnungsliebe. Im kalifornischen Volksmund sind Deutsche quasi die Anti-Mexikaner.

Ich persönlich wurde auch noch nie mit den gelegentlich von Austauschschülern kolportierten Nazi-Vorwürfen konfrontiert, kann dies also zumindest nicht als alltägliches Vorkommnis ausmachen. Eher muss man sich gegen die grundsätzliche Gleichsetzung von Deutschland mit Bayern wehren, wie man an der bedirndelten Werbefigur für “St. Pauli Girl”-Bier deutlich sehen kann.

Im Bereich der Lebensmittel kann man sich sein Pseudo-Pumpernickel (hier labberiges Körnerbrot) mit Braunschweiger (hier Synonym für Leberwurst) bestreichen, aber sonst ist der kulinarische Einfluss Deutschlands zu vernachlässigen. Andere Produkte wiederum erfahren auf dem Weg über den Atlantik eine wundersame Umdeutung. So gilt der VW Jetta in Abwesenheit kleinerer Modelle als cooler Einstiegs-VW – und nicht als hässlicher Cousin des Golf. Birkenstock-Sandalen bekommt man in Los Angeles auf der trendigen “Melrose Avenue” sogar im eigenen Shop. Dort werden sie als cooles Accessoire an die aktuelle College-Generation verkauft und nicht als Gesundheitsschuh an Übergewichtige.

In Amerika bekannte deutsche Kulturgüter entstammen eher der ferneren Vergangenheit (Goethe, Beethoven). Der Nobelpreis für Günter Grass hat keine Renaissance deutschsprachiger Autoren ausgelöst, von dem für Elfriede Jelinek ganz zu schweigen. Deutsche Musik und Kinofilme sind außer den bekannten Ausnahmen “99 Red Ballons” (“99 Luftballons”) und “Run, Lola, Run” (“Lola rennt”) nicht einmal unter ferner liefen im amerikanischen Alltag vertreten, gelegentliche Achtungserfolge wie “Downfall” (“Der Untergang”) ausgenommen. Dass Milli Vanilli nicht unbedingt als deutsch wahrgenommen wurden, kann jedoch wohl nur als Glücksfall bezeichnet werden.

Im Bereich der Vornamen gelten einige als typisch deutsch, die in Deutschland seit der Nachkriegsgeneration selten bis gar nicht mehr anzutreffen sind. Und damit meine ich nicht Filmbösewichte namens Fritz und Hans, sondern amerikanische Vorstadtmädchen namens Heidi. Vielleicht liegt es an meiner norddeutschen Herkunft, aber außer Frau Klum sind mir keine deutschen Heidis bekannt – in Amerika ist der Name jedoch recht weit verbreitet.

Noch auffälliger ist jedoch der Name Gretchen. Ohnehin ja eigentlich eher Kosename denn regulärer Vorname, ist mir in Deutschland niemand mit diesem Vornamen bekannt. Hier ist der Name allgegenwärtig, vielleicht befördert durch Country-Musik-Sternchen Gretchen Wilson. Leider wird bei amerikanischer Aussprache aus dem süßen Gretchen ein hässliches “Grättschn”. Lautmalerisch denke ich dabei eher an die böse Hexe als an das blonde Mädchen. In jedem Fall klingt es für Amerikaner aber typisch deutsch.

Gelegentlich trifft man auf Deutsches, das sich in Amerika nicht als solches zu erkennen gibt. T-Mobile-Angestellte vor Ort wussten beispielsweise nicht, dass sie für ein deutsches Unternehmen arbeiten. Deshalb konnten sie mir auch nicht die Frage beantworten, warum sich mein deutsches T-Mobile-Handy in den USA nicht bei T-Mobile, sondern beim erbitterten Konkurrenten Cingular Wireless einwählt. Und dabei dachte ich immer, Ziel einer globalen Expansion sei, genau so etwas zu verhindern.

Dennoch liebe ich den internationalen Mischmasch, denn wer reist um die halbe Welt, nur um alles so haben zu wollen wie zu Hause? Und wem zum Beispiel amerikanisches Bier nun einmal partout zu fad ist, dem empfehle ich trotzdem, das Warsteiner im Importregal stehen zu lassen und einmal argentinisches “Quilmes” auszuprobieren. Es ist das beliebteste Bier Argentiniens und schmeckt so gut, dass man kaum glauben mag, dass es nicht aus Deutschland kommt.